Die Liebe der Anderen

Drehbuch für einen Spielfilm

1      SCHWIMMBAD         I/T                                                                                                

Ein alter Mann, faltig, weißes, schütteres Haar, dennoch stolze Haltung, geht vorsichtig die Treppen ins Wasser. Alle seine Bewegungen sind langsam, bedächtig, beinahe vorsichtig. Er braucht lange, bis er untertaucht und schließlich sehr langsam zu schwimmen beginnt. 

Dann sehen wir einen jungen, einen perfekten männlichen Körper. Haarlos, definierte Muskeln, volles Haar. MATTHIAS springt mit elegantem Köpper ins Wasser und beginnt kraftvoll und ebenmäßig durchs Wasser zu pflügen / zu kraulen.

2      YACHT     A/T                                                                                                                   

Eine große Yacht, opulent geschmückt. Junge Kellner tragen Häppchenteller und Tabletts mit Champagnergläsern über Deck. Lounge-Musik liegt über der Szene, nur Gesprächsfetzen sind zu hören. MATTHIAS, im schicken Anzug, lässig, cool, gutaussehend, geht grüßend, lächelnd, Hände schüttelnd, Küsschen-links-Küsschen-rechts durch die zahlreichen Gäste. Die Frauen und Männer sind jung, sexy, gut gebaut. Kaum jemand ist über 35. Alle sind gut drauf, trinken, tanzen, lachen, flirten. 

Am Ende des Raums steht ADONIS und spricht mit SASCHA L’ORANGE. Beide schauen zu Matthias, der wie der Gastgeber des Abends wirkt. 

MATTHIAS
Schön, dass du da bist. – Du siehst umwerfend aus. –
Darling, das Kleid ist wie für dich gemacht. –
Hey, wie geht’s? Freut mich. –
Hast du was zu trinken? –
Wow. Wirklich sehr schicke Schuhe. 

MATTHIAS wirkt charmant, unangestrengt und ganz in seinem Element. 

ADONIS
(ironisch) Bedauerlich. 

SASCHA L’ORANGE
(gleichgültig) Alles hat seine Zeit. 

SASCHA und ADONIS tauschen bedeutsame Blicke, ADONIS stellt sein Glas weg und schlendert Richtung Matthias. Der ist im Gespräch mit einer vollbusigen Blondine, die verzückt ihre manikürte Hand hinhält, daran ein Glitzerklunker. 

MATTHIAS
(liebenswert ironisch)
Ich kriege hoffentlich keine Einladung!? Ich hasse Hochzeiten. 

Die Blondine kichert albern. MATTHIAS küsst ihr galant die Hand und schiebt sich elegant und mühelos durch das Gedränge. Er fängt einen flirtiven Blick von ADONIS auf. Ein kaum merkliches Lächeln huscht über MATTHIAS’ Gesicht, da spricht ihn aber auch schon der nächsten Gast an.

LUIS
Matthias! Hey, Matthias! Alter! Fette Party.

MATTHIAS
Luis, willkommen. Lange nicht gesehen. 

LUIS
(affektiert) Ach, du weißt ja, wie es ist …

MATTHIAS
(lacht auf) Wenn nicht ich, wer dann? 

LUIS
Ich komm’ ja gerade aus New York …

ADONIS lässt MATTHIAS nicht aus den Augen. Eine rassige Rothaarige steuert auf MATTHIAS und LUIS zu, an der Hand eine zierliche Brünette. 

MATTHIAS
(charmant) Chantal, Kessy … 

CHANTAL 
Darling, Matthias. Es ist mal wieder f a n t a s t i s c h!
Du, können wir die Tage mal reden?
Kessy und ich haben eine umwerfende Idee. 

Während CHANTAL schnasselt, küsst sie Luis rechts und links auf die Wange. 

MATTHIAS
Sicher.

CHANTAL
Luis, Darling. Wie war New York? 

MATTHIAS
Ihr entschuldigt mich einen Moment? 

Keiner der Drei reagiert, überschwänglich schwärmt LUIS von New York, CHANTAL unterbricht immer wieder, streut eigene Big-Apple-Anmerkungen ein. Das Handy von Matthias klingelt.

MATTHIAS (INS HANDY)
(ruhig) Bornemann…

Es meldet sich eine männliche Stimme. Ohne eine Emotion zu zeigen, lauscht MATTHIAS dem Anrufer, (erfährt, dass sein Vater vor einer Stunde verstorben ist.) Er zuckt zusammen – weil ADONIS ihn wie zufällig berührt hat. ADONIS macht eine Augenbewegung, die alles verspricht und alles will und zwar jetzt. 

MATTHIAS (INS HANDY)
Gut. Ich komme. 

ADONIS
(raunt) Wenn du willst, sorge ich dafür… 

ADONIS lächelt verführerisch. MATTHIAS beendet das Telefonat, nimmt das Lächeln nicht wahr. 



3    KRANKENHAUS/ ZIMMER   I/T                                                                                                

Das Krankenbett, was gleichzeitig das Totenbett von RAINER BORNEMANN ist. Ein Handtuch um seinen Hals (um den Kiefer zu stabilisieren), das Gesicht friedlich. Die rechte liegt auf der linken Hand. 

Blick auf eine KRANKENSCHWESTER, die mitfühlend schaut. Blick auf MATTHIAS, der direkt von der Party gekommen ist und einfach nur da steht. Hilflos, überfordert. 

KRANKENSCHWESTER
Mein aufrichtiges Beileid. 

MATTHIAS
(tonlos) Danke.

KRANKENSCHWESTER
Ihr Vater ist friedlich und ohne Schmerzen eingeschlafen.

MATTHIAS reagiert mit einem knappen Nicken. 

KRANKENSCHWESTER
Wenn Sie möchten … 

Die KRANKENSCHWESTER zieht aus ihrer Kittelschürze ein kleines elektrisches Teelicht. MATTHIAS reagiert nicht. Sie zögert und steckt das Licht wieder ein und verlässt den Raum. Man hört nicht, wie sie die Tür schließt. 

MATTHIAS
(bitter) Du und dein Timing …

MATTHIAS bewegt sich keinen Schritt auf seinen Vater zu. Steht einfach nur da und sieht den Toten an. Dann dreht er sich wortlos um und verlässt den Raum.