Heimlicher Anruf

Das Paradies le Verbamont verlassen zu haben, um einen Kompromiss zu leben, der dazu noch unbequem und unattraktiv ist. Macht das wirklich Sinn? Ab wann ist die Herausforderung keine Aufgabe mehr, sondern aufgeben die Lösung, der beste Kompromiss?  

Mit diesen Fragen bin ich trotz meiner gestrigen Entscheidung ewig nicht eingeschlafen und schrecke jetzt wegen des unerbittlich aufs Dach trommelnden Regens hoch. Was mache ich hier eigentlich? Warum quäle ich mich mit diesem uralten Gefährt durch die Welt? Warum fliege ich nicht? Oder nehme mir einen luxuriösen Camper, einen Van? Irgendwas, was zuverlässig funktioniert.

Es ist kurz nach halb vier, stockdunkel, trotzdem ist das vorherrschende Gefühl schon wieder, oder immer noch, in Le Mans direkt an der Strecke zu stehen. Irgendwo kreischt eine Alarmanlage. Hupkonzerte, wie sonst nur bei türkischen Hochzeiten auf dem Berliner Ku’damm. Meine Entscheidung, zurück nach Hause zu fahren, fällt mir wieder ein. Ich kichere, es klingt hysterisch. Zu viel Viognier Ardèche. Raluca knurrt und ich schließe mit einem Lächeln die Augen und umschlinge meine Decke.

Da klingelt mich gegen sechs eine Mary Stewart aus dem Halbschlaf. Orientierungslos und mit einem fiesen Kater nehme ich das Gespräch aus Neuseeland an. Und bin augenblicklich wie angeknipst. Mary wirkt sehr aufgewühlt, redet hastig, als habe sie Angst, jemand könne das Gespräch belauschen. In welchem Verhältnis sie zu Madame Dubois steht, habe ich nicht verstanden. Stiefenkelin? Oder angeheiratete Stiefenkelin?

Der Grund ihres offensichtlich heimlichen Anrufes: sie macht sich Sorgen, dass das Bild von Grand-mère Jeanne durch das Buch für immer verfälscht würde, weil bestimmte Leute (sie sagte nicht, wen sie meint) seit Jahren wichtige Daten und Fakten verschweigen, Tatsachen verdrehen und Lügen über Madame Dubois verbreiteten. „Nothing is so important to Granny as the truth.

DuboisKarte

I want to trust you, Klara, I will have faith in you.“ Große Worte auf nüchternen Magen. Dann beginnt Mary Stewart, die ich auf Ende zwanzig, Anfang dreißig schätze, zu weinen. Peinlich berührt und irritiert versichere ich ihr, als Journalistin gehöre es zu meinen Grundprinzipien, die Wahrheit zu suchen und ihr auch auf den Grund zu gehen. „You have to talk to François-Anne. Please, promise you will talk to her.(Es klingt wie Franzonn.) Dieses Versprechen hätte ich sogar im Vollrausch gegeben. Auch wenn ich keine Ahnung habe, wer François-Anne ist. Und was sie mit Madame Dubois zu tun hat.

Selbstverständlich werde ich es herausfinden!

Mit Hilfe dieser Karte, die ein Schlüssel zum Leben von Madame Dubois ist. Sein soll. Sein kann?