Ein Haus in Uzès

Wie zu meinen besten Volontärszeiten habe ich die vergangenen Tage mit Recherche verbracht.
Ursprünglich wollte ich Cécile um Unterstützung bitten. Woraufhin mein Ehrgeiz mich übelst als faul beschimpfte. Also, keine Hilfe von niemandem. Wobei die Nuss nicht leicht zu knacken war, um mal eine wirkliche üble Plattitüde zu bemühen. Gelungen ist es mir am Ende auch nur zum Teil. Aber immerhin weiß ich jetzt, dass es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um François-Anne de Bellejour handelt und sie in Uzès lebt. Klingt ausgedacht? De Belljour ist es vermutlich. François-Anne ist eine nicht ganz unbekannte Malerin und damit liegt ein Künstlername nahe.
Uzès ist real.
Vierzig Minuten westlich von Avignon liegt dieses Mittelalterstädtchen, etwa zwölf Kilometer östlich vom berühmten Pont du Gard. Dem ich sehr gerne einen staunenden Besuch abgestattet hätte. Schließlich ist er mit 49 Meter Höhe nicht nur das höchste römische, sondern auch weltweit einzige Beispiel für eine dreistöckige Aquäduktbrücke. Aber dafür neun Euro Eintritt? Irgendwo ist dann auch mal Schluss mit Touri-Abzocke.
Außerdem wollte ich sowieso nach Uzès, geradezu absurd reizend. Die Gemeinde hat knapp 8.400 Einwohner und vermutlich hundert Straßencafés, unzählige, verwinkelte Gassen und den herrlichen Marché-Place Aux Herbes. Alles wunderbar Provence. Als Wahrzeichen am Eingang zum historischen Ortskern thront die Pfarrkirche Saint-Théodorit, eine ehemalige Kathedrale aus dem 17. Jahrhundert. Deren Inneres mich allerdings nicht sonderlich beeindruckt hat.


Im Gegensatz zu dem riesigen Grundstück von François-Anne. Es umfasst sicherlich mehrere Hektar Land, zum Teil mit Olivenbäumen bewachsen, von mannshohen, verwitterten, vermutlich jahrhundertalten Trockensteinmauern umgeben. Wenn ich das richtig sehe, gibt es zwei Eingänge. Von hinten erahnt man das Haus nur, von vorne versperrt ein braunes Eisentor die Sicht auf die Gebäude im klassischen Baustil aus hellem Sandstein und ebensolchem Ziegeldach.
Mein überfallartiges Auftauchen ist natürlich nicht von Erfolg gekrönt. Niemand reagiert auf mein Klingeln oder meine halbherzigen Rufe. Abgesehen von den neugierigen Nachbarn auf dem angrenzenden Grundstück, einem deutschen Ehepaar in seinen späten 60ern, das seit drei Jahren hier lebt. Sibylle und Rainald, ehemalige Lehrer. Natürlich. Aus der Nähe von Bremen. Leider. Wären sie Franzosen, hätten sie mich eingeladen, statt nur versucht auszuhorchen. Immerhin erfahre ich, dass François-Anne um diese Jahreszeit oft in die Schweiz fährt oder nach Cassis. Den Namen Jeanne-Catherine Dubois haben beide noch nie gehört. Das Gegenteil hätte mich überrascht.


Sie haben angeboten, François-Anne etwas von mir auszurichten. Wenn ich meine Visitenkarte dalassen möchte…? Non, merci.