Anderswo. Allein in Afrika

Anselm Nathanael Pahnkes Film über seine Tour auf dem schwarzen Kontinent 

Neugierde. Sehnsucht nach dem Unbekannten. Bereitschaft, sich voll und ganz auf das Leben einzulassen. Ohne Plan, ohne Netz, ohne doppelten Boden. Sich mit sich selber auseinander zu setzen. Anselm Nathanael Pahnke ist so ein Mensch. Der sich ohne Vorbehalte auf das Leben einlässt. Der das Leben geschehen lässt. Mehr noch: Er hat seinem Geist und seinem Körper mehr abverlangt, als man sich das als Durchschnittsbürger vorstellen kann. Und der uns, die wir unser geregeltes, bequemes Leben in routinierter Sicherheit begehen, mitnimmt auf seine ganz persönliche Reise. Anderswo. Allein in Afrika war nie für die Öffentlichkeit bestimmt. Und doch wurde aus persönlichen Filmaufnahmen innerhalb von 16 Monaten ein professionell produzierter Kinofilm. Jetzt ist Anselm Nathanael Pahnke auf großer Deutschlandreise durch mehr als 140 Kinos und erzählt seine Geschichte. An diesem Abend im Thalia Kino Potsdam (https://www.thalia-potsdam.de).

Es ist das Jahr 2014. Der junge Geophysiker war bereits mit dem Rad in Griechenland. Kaum zurück in den heimischen vier Wänden packt ihn das Fernweh, er will wieder los. Aber dieses Mal weiter weg. Länger. Anselm plant eine Radtour durch Afrika. Lernt via Facebook ein eingespieltes Reiseradler-Team kennen. Ein viertel Jahr touren die drei gemeinsam. Dann, ganz plötzlich, ist Schluss. Die Berliner fliegen zurück nach Deutschland. Anselm, damals 25, braucht etwa eine Woche, um sich für eine alleinige Weiterfahrt zu entscheiden. Eine Entscheidung, die er nie bereut hat. Und über die er heute, beinahe vier Jahre später sagen kann, dass der Freund recht hatte, als der ihn mit den Worten verabschiedete: „Deine Reise geht jetzt erst los.“ 

Obwohl Anselm nie alleine reisen wollte. Obwohl er immer vor der Einsamkeit zurückgeschreckt ist, vor dem fehlenden Austausch. Davor, alles alleine entscheiden zu müssen, keine Erfahrungen teilen zu können, in schwierigen Situationen ohne direkte Hilfe zu sein. Mit auf vier Packtaschen verteilten 70 Kilogramm Gepäck stürzt Anselm sich allein in das größte Abenteuer seines bisherigen Lebens. Und hält mit der Kamera fest, was sieht, was er fühlt. Zeigt seine Erschöpfung, spricht über seine Gefühle, filmt sich mit einer großen Portion Selbstironie dabei als er sich einen Einlauf verpasst, um eine quälende dreitägige Verstopfung endlich zu beenden.

Anfangs habe er nur gefilmt, um Familie und Freunde auf dem Laufenden zu halten. Alle drei Wochen hatte er mal Internet, konnte seine Video-Tagebuch-Aufzeichnungen schicken. „Es tat mir gut, mich selber zu filmen, vom Erlebten zu erzählen.“ Es sei eine Art Spiel gewesen. Ein Spiel, das von der Tatsache ablenkte, alleine zu sein. 

Nachdem er die älteste Wüste der Welt – die 81.000 Quadratkilometer große Namib – durchquert hat, bittet Anselm seinen Vater, ihn zu besuchen. Einen Monat verbringen Vater und Sohn gemeinsam – danach weiß Anselm, dass seine Reise noch immer nicht zu Ende ist. Es geht weiter durch die Wüste, über unbefestigte, sandverwehte Straßen. Durch das Hochland, durch Kälte, Hitze und Regen.  

Am Ende dauert Anselms Afrika-Reise 414 Tage, durchquert er 15 afrikanische Länder, sitzt 15.000 Kilometer im Sattel, feiert er seinen 26ten Geburtstag alleine. Während dieser 414 Tage erkrankt er an Malaria und Typhus, nimmt das erste Antibiotika seines Lebens. Treten ihn Grenzsoldaten brutal von seinem Fahrrad und sperren ihn für zwei Tage ein. Muss er seine Uhr abgegeben, um weiter reisen zu dürfen. Trifft er immer wieder auf freundliche, warmherzige, fröhliche und hilfsbereite Menschen. Hilft drei Wochen beim Bau eines Steges in Malawi. Flickt seinen Fahrradmantel mit Zahnseide. Kämpft über Wochen gegen unvorstellbaren Gegenwind, muss oft stundenlang sein Fahrrad schieben. Trinkt immer nur Wasser aus Brunnen, kauft nie welches – weil er mit den Menschen in Kontakt kommen möchte. Anselm lernt ein wenig Suaheli. Wird lachend und winkend begleitet, die Kinder rennen neben ihm her. Sieht Elefanten, Nashörner, Nilpferde, Giraffen und Zebras aus nächster Nähe. 

Bleiben will er nie länger. Angst hat er nie. Weil er als Kind grenzenlos erzogen worden sei, weil er Angst nie gelernt habe, sagt der junge Mann mit den braunen Wuschelhaaren und dem weichen Blick aus dunklen Augen. Wenn andere unsicher nach dem „warum“ fragen, fragt Anselm höchstens „warum nicht?“ Die fehlende Angst macht ihn frei und gibt ihm die Möglichkeit seiner Sehnsucht, seiner kindlichen Neugierde nachzugeben und unbekanntes zu entdecken. Und sich selber Stück für Stück besser kennen zu lernen.

Die Erkenntnis, dass Gleichmäßigkeit die Zeit tötet, lässt das Radfahren zu einer Art Sucht werden. Anselm will das Leben im Jetzt genießen, ohne Zeitzwänge, ohne Zwänge überhaupt. Bekommt immer mehr Vertrauen in das Leben und sich selber. Etwas, was für ihn kostbarer ist als alle materiellen Werte dieser Welt. 

Er habe gelernt, sein Alleinsein nicht mehr als Einsamkeit zu empfinden, sondern seine Unabhängigkeit als Geschenk zu begreifen. Und deswegen existiert auch kein Filmschnipsel von dem zweiten Teil der Reise. Denn Anselm ist zwei weitere Jahre getourt, durch Asien und Australien. Weitere 25.000 Kilometer auf dem Rad. Statt Fotos und Videos zu machen, habe er geschrieben. Doch ob daraus ein Buch entstehen wird, weiß Anselm nicht.

 Er macht keine Pläne. Er lebt den Augenblick. Und damit ist er vermutlich glücklicher als viele, die heute schon genau wissen, was sie in einem Jahr tun werden. Anselm Nathanael Pahnke sagt, dass er Menschen und Situationen nicht mehr bewertet oder verurteilt. Dass er unabhängig von anderen Menschen und deren Meinungen sei. Und so wie er es sagt, mit freundlicher Wärme, klingt es weder arrogant noch missionarisch, sondern logisch und ganz natürlich. So, als habe er das Geheimnis des Lebens gelüftet. „Ich war nie der Mensch, der sich abgesichert hat“, sagt er noch. 

Und vermutlich ist es das, was ihm die Aura eines Menschen verleiht, der tief in sich ruht und mit sich im Reinen ist. Anselm Nathanael Pahnke gehört zu denen, die inspirieren, die Mut machen, eingetretene Pfade zu verlassen und stattdessen dem Leben zu vertrauen  – und denen man am liebsten nacheifern würde.

Fotos: privat

Für mehr Infos:  https://www.anderswoinafrika.de