
Paul & John
Miss Molly Flint war freundlich, fürsorglich und diskret. Sie erkannte Dramen schon bevor sie sich vor ihren Augen abspielten, und in diesem Fall war es das ganz, ganz große Drama. Ein bisschen wie bei Charles und Diana. Und natürlich wusste Miss Molly mit ihren beinahe achtzig Jahren sehr genau, worauf es in solchen Situationen ankam.
„Du liebe Güte“, sagte sie, während sie Paul das Frühstück servierte, „ist das nicht ein herrlicher Tag? Donnerstage sind herrliche Tage. Ganz wundervoll, um Entscheidungen zu treffen. Ich treffe alle wichtigen Entscheidungen immer an einem Donnerstag.“
Miss Flint hatte Recht. Es war Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Und wenn es nur die war, zum Friseur zu gehen. Paul ließ sich von einer sehr korpulenten, sehr schweigsamen Daisy die Haare schneiden. Obwohl er für noch mehr Luxus kein Geld hatte, kaufte er sich anschließend ein Einstecktuch, bordeaux farbene Seide, stark im Preis reduziert, ein Überbleibsel aus der letzten Saison. Dann schlenderte er solange durch Notting Hill, bis endlich Maggies Chair öffnete. Hinter der wuchtigen Theke stand wie immer Richard. Bullig, glatzköpfig, schnauzbärtig. Er musterte Paul, ohne etwas zu fragen. Richard fragte nie, er hörte zu. Aber Paul wollte nicht reden, er wollte nur ungesundes Essen in sich reinstopfen, sich bis zur Besinnungslosigkeit betrinken. Er orderte Whisky, obwohl er sonst immer Guinness trank. Statt eines mageren Steaks mit Salat schlang er die vor Fett triefende Spezialität des Hauses, doppelter Cheesburger mit french fries, runter, um nur nicht darüber nachzudenken, dass ein junger Inder seinen, Pauls, Platz einnehmen würde. Schon eingenommen hatte, als er, Paul, und John sich vor der Queen verneigten.
„Noch frei?“, fragte Brian und saß schon, bevor Paul die Chance gehabt hätte zu verneinen.
Der dürre Brian Connery war in seinen frühen Dreißigern, bestellte wie üblich ein Lager und erklärte Paul ungefragt, er habe die absolut geniale Idee für einen Film, mit dem er ganz groß rauskomme. Paul mochte Brian. Also gab er sich interessiert an der Geschichte, die ganz sicher den für Komödien berühmten Regisseur Rob Reiner aus den Schuhen hauen würde. Nicht nur in seiner Begeisterung überhörte Brian ironische Anmerkungen. Paul vermutete seit ihrer ersten Begegnung, dass der gebürtige Brian schlicht immun gegen jegliche Zwischentöne war.
„Stellt euch folgendes vor“, begann Brian und erzählte ausführlich die Geschichte einer berühmten Hollywood-Schauspielerin, in die sich während ihres Londonaufenthaltes ein etwas kauziger Buchhändler verliebt. Paul schwieg, obwohl er Brian am liebsten anschrien hätte, dass die Welt nicht noch mehr verlogene Geschichten wie die der bildschönen Gelegenheitsprostituierten mit der reinen Seele brauchte, die am Ende den schwerreichen, lebensfremden, sensationell gutaussehende Geschäftsmann bekommt. Das war doch nicht das gottverdammte Leben!
„Es wird so elendig romantisch“, sagte Brian, „so verdammt unglaublich unfassbar romantisch, dass sich alle um die beiden Hauptrolle reißen werden. Obwohl es natürlich nur eine Frau gibt, die das spielen kann“, sagte Brian.
„Natürlich Julia“, sagte Paul erschöpft, „es kann niemand außer Julia. Und da gibt es natürlich nur diesen einen möglichen Kerl an ihrer Seite.“
„Du kennst ihn?!“
„Wen?“
„Hugh Grant.“
„Wer ist Hugh Grant?“